Alle Schlösser haben einen breiten Bereich mechanischer Merkmale und
Defekte, die Ihnen beim Schloßöffnen helfen und Sie davon abhalten
können. Falls ein Schloß beim Harken nicht reagiert, dann läßt es sich
wahrscheinlich mit einem der Züge in diesem Kapitel besprechen. Um das
Schloß zu öffnen, müssen Sie diese Eigenschaft diagnostizieren und
dann die empfohlene Technik anwenden. Die Übungen werden Ihnen
helfen, das mechanische Feingefühl und die notwendige Geschicklichkeit
zu entwickeln, diese anderen Eigenschaften zu erkennen und zu verwerten.
9.1 Welche Richtung benutze ich zum Drehen
Es kann sehr frustrierend sein, wenn man eine lange Zeit braucht, um ein Schloß zu öffnen und dann entdeckt, daß man den Schloßkern in die falsche Richtung drehte. Falls Sie einen Schloßkern in die falsche Richtung gedreht haben, wird er sich frei drehen lassen bis er anschlägt; oder er läßt sich 180 Grad drehen und die Gehäusestifte springen wieder in den Schlüsselkanal (sehen Sie Kapitel 9.11). Punkt 9.11 erklärt auch, wie man den Schloßkern mehr als 180 Grad dreht, falls das für ein völliges Zurückziehen des Türriegels notwendig wird. Wenn der Schloßkern in die korrekte Richtung gedreht wurde, sollten Sie einen extra Widerstand fühlen, wenn der Nocken des Schloßkernes die Riegel-Feder betätigt.
Die Richtung, den Schloßkern zu drehen, hängt von dem
Riegel-Mechanismus, nicht von dem Schloß ab; es gibt hier einige
allgemeine Regeln. Billige Vorhängeschlösser lassen sich manchmal
öffnen, wenn der Schloßkern in beide Richtungen gedreht wird; hier können
Sie die Richtung auswählen, die für den Spanner die beste ist. Alle
Vorhängeschlösser, die von der gleichen Gesellschaft gemacht wurden,
können in beiden Richtungen geöffnet werden. Vorhängeschlösser, die von
Yale gemacht wurden, werden nur öffnen, falls der Schloßkern im
Uhrzeigersinn gedreht wird. Der doppelte Schloßkern der
Yale-Zylinderschlösser öffnet durch Drehen in Richtung der Unterkante
des Schlüsselkanales (insbesondere der flache Rand des Schlüssels) im
allgemeinen, weg vom nächstgelegenen Türrahmen.
Einzel-Schloßkern-Zylinderschlösser folgen dieser Regel auch. Sehen Sie
Bild 9.1. Schlösser, die im Türknauf eigebaut wurden, öffnen gewöhnlich
rechtsläufig. Schlösser in Schreibtischen und Aktenschränken neigen auch
dazu, rechtsläufig zu öffnen.
Bild 9.1:Die Richtung, in die man den Schloßkern dreht
Wenn Sie auf eine neue Art von Schloß-Mechanismus treffen, versuchen Sie
den Schloßkern in beide Richtungen zu drehen. In der richtigen Richtung
wird der Schloßkern von den Stiften gestoppt. Wenn Sie ein starkes
Drehmoment benutzen, wird sich dieser Stop matschig anfühlen. In der
falschen Richtung wird der Schloßkern durch einen Metallzapfen gestoppt,
hier wird sich dieser Stop-Punkt fest anfühlen.
9.2 Wie weit man dreht
Die begleitende Frage, wenn Sie überlegen, in welche Richtung Sie das Schloß drehen, ist, wie weit man es dreht. Schreibtischschlösser und Aktenschrankschlösser öffnen im allgemein mit weniger als einer Viertel-Drehung (90 Grad) des Schloßkerns. Wenn Sie ein Schreibtischschloß öffnen, vermeiden Sie den Schloßkern in der offenen Schließposition zu halten. Schlösser, die in Türknäufen eingebaut werden, neigen auch dazu, mit weniger als einer Vierteldrehung zu öffnen. Schlösser, die getrennt vom Türknauf eingebaut wurden, neigen nach einer halben Drehung dazu, zu öffnen. Deadbolt-Schloß-Mechanismen zu öffnen kann fast eine volle Drehung erfordern.
Das Drehen eines Schlosses um mehr als 180 Grad ist sehr schwierig , weil
die Gehäusestifte dann in die Unterkante des Schlüsselkanales eintreten.
Sehen Sie Kapitel 9.11.
9.3 Schwerkraft
Das Öffnen eines Schlosses, das die Federn an der Oberseite hat, ist anders als das Öffnen eines Schlosses mit den Federn an der Unterseite. Es ist offensichtlich, wie man die zwei Arten auseinander hält. Das nette Merkmal eines Schlosses mit den Federn an der Unterseite ist, daß die Gravitation die Kernstifte unten hält, sobald sie gesetzt sind. Mit den gesetzten Stiften außerhalb des Weges ist es leicht, die restlichen nichtgesetzten Stifte zu finden und zu manipulieren. Es ist auch hier gerade richtig, zu testen, wie korrekt gesetzte Stifte leicht nachgeben. Wenn die Federn oben sind, wird die Gravitation die Kernstifte hinunterziehen, nachdem die Gehäusestifte an der Scherlinie abgefangen wurden. In diesem Fall können Sie die richtig gesetzten Stifte dadurch identifizieren, daß die Kernstifte leicht zu heben sind und daß sie sich nicht federnd anfühlen. Gesetzte Stifte klappern auch, wenn Sie das Öffnungswerkzeug über die Stifte ziehen, weil sie nicht von den Gehäusestiften nach unten gedrückt werden.
Anmerkung der Übersetzer: Die in Deutschland gebräuchlichen Schließzylinder
haben die Federn auf der Oberseite!
9.4 Nicht gesetzte Stifte
Falls Sie ein Schloß harken und die Stifte setzen sich nicht selbst, auch wenn Sie das Drehmoment abwechseln, dann hat sich ein Stift falsch platziert und er behält den Rest der Stifte in ihrer Lage. Betrachten wir nun ein Schloß, deren Stifte es vorziehen, sich von der Rückseite zur Vorderseite zu setzen. Falls sich der letzte Stift falsch setzt, zu hoch oder zu tief (siehe Bild 9.2), dann kann der Schloßkern nicht genug rotieren, um den anderen Stiften zu ermöglichen, daß sie sich verklemmen . Es ist schwer zu erkennen, daß ein hinterer Stift falsch gesetzt ist, weil die Elastizität der vorderen Stifte es kompliziert macht, dieses kleine Nachgeben zu spüren, wenn der letzte Stift richtig sitzt. Das Haupt-Symptom dieser Situation ist, daß die anderen Stifte sich nicht korrekt setzen lassen, es sei denn, daß ein sehr großes Drehmoment angewendet wird.
Wenn Sie diese Situation antreffen, lassen Sie das starke Spannen und
beginnen Sie nochmal neu mit der Hauptkonzentration auf den hinteren
Stift. Versuchen Sie eine leichte Spannung und einen mäßigen Druck
anzuwenden, oder eine starke Spannung und einen starken Druck. Versuchen
Sie, das Klicken zu fühlen. Das geschieht, wenn ein Stift die Scherlinie
erreicht und der Schloßkern geringfügig rotiert. Das Klicken wird
leichter zu fühlen sein, wenn Sie einen steifen Spanner benutzen.
9.5 Elastische Deformation
Die interessanten Ereignisse beim Schloßöffnen passieren bei Entfernungen, die im Bereich eines tausendstel Zoll gemessen werden. Über solche kurzen Entfernungen verhalten sich Metalle wie Federn. Sehr kleine Kräfte sind notwendig, ein Stück Metall über jene Entfernungen abzulenken und wenn diese Kraft weggenommen wird, wird das Metall zurück in seine ursprüngliche Position springen.
Deformationen können Sie zu Ihrem Vorteil nutzen, falls Sie mehrere Stifte zwingen wollen, auf einmal zu klemmen. Zum Beispiel beim Öffnen eines Schlosses mit Stiften, die es vorziehen, sich von der Vorderseite zur Rückseite setzen zu lassen, was aber zu langsam ist, weil das Stiftsetzen nur ein Stift nach dem anderen möglich ist. Dies trifft insbesondere zu, falls Sie nur dann Druck anwenden, wenn Sie das Öffnungswerkzeug aus dem Schloß ziehen. Jeder Zug des Öffnungswerkzeuges wird dann nur den vordersten Stift setzen, der klemmt. Zahlreiches Harken wird dann notwendig, um alle Stifte zu setzen. Falls die Vorliebe des Schlosses für das Stiftsetzen nicht sehr stark ist (insbesondere, wenn die Achse der Löcher nur geringfügig schief von der Mittelachse des Schloßkerns abweicht), dann können zusätzliche Stifte eingeklemmt werden, wenn Sie mit dem Spanner mehr Kraft anwenden. Grundsätzlich versetzt die Spannung eine Drehung eher in die Vorderseite des Schloßkerns als in der Rückseite des Schloßkerns. Mit einer leichten Spannung bleibt die Rückseite des Schloßkerns in seiner anfänglichen Position, aber mit mittlerem bis zu schwerem Drehmoment biegen Sie die vorderen Stiftspalten genug, um der Rückseite des Schloßkerns eine Rotation zu erlauben und die hinteren Stifte können daher zum Klemmen gebracht werden. Mit Extra-Spannung kann das Öffnungswerkzeug mehrere Stifte setzen und das Schloß kann schnell geöffnet werden. Zu viel Spannung verursacht seine eigenen Probleme.
Wenn das Drehmoment groß ist, können die vorderen Stifte und die
Schloßkernlöcher genug deformiert werden, damit die Stifte zum korrekten
Setzen eingeklemmt werden. Insbesondere neigt der erste Stift dazu,
falsch gesetzt zu werden (zu tief). Bild 9.2 zeigt, wie ein übermäßiges
Drehmoment die Unterkante des Gehäusestiftes deformieren kann und
verhindert, daß der Kernstift die Scherlinie erreicht. Diese Situation
kann erkannt werden, wenn der erste Stift nicht nachgibt. Korrekt
gesetzte Stifte fühlen sich federnd an, wenn sie leicht nach unten
gedrückt werden. Bei falsch gesetzen Stiften fehlt dieses Federn.Die
Lösung ist starkes Herunterdrücken auf den ersten Stift. Sie mögen das
Drehmoment geringfügig reduzieren wollen, aber falls Sie das Drehmoment
zu viel reduzieren, dann werden die anderen Stifte wieder
herausspringen, wenn der erste Stift niedergedrückt wird.
Bild 9.2: Der Gehäusestift ist durch elastische Deformation falsch gesetzt
Es ist auch möglich, die Oberkante der Kernstifte zu deformieren. Die
Kernstifte sind dann zwischen dem Schloßkern und dem Gehäuse eingeklemmt
und hängen fest. Wenn dieses geschieht, nennt man das: "der Stift ist zu
hoch gesetzt".
9.6 Loser Schloßkern
Der Schloßkern wird im Gehäuse von seiner breiteren Vorderseite gehalten und durch einen Nocken auf der Rückseite, der größer ist als das im Gehäuse gebohrte Loch. Falls der Nocken nicht richtig eingebaut ist, kann sich der Schloßkern in und aus dem Schloß geringfügig bewegen. Bei einem Strich des Öffnungswerkzeuges nach draußen wird sich der Schloßkern vorwärts bewegen, und wenn Sie den Druck beim Strich nach innen anwenden, wird der Schloßkern nach hinten gestoßen.
Das Problem mit einem losen Schloßkern ist, daß die Gehäusestifte dazu
neigen, sich an der Rückseite der Schloßkernlöcher eher in die Löcher zu
setzen. Wenn Sie den Schloßkern wieder hineindrücken, sind die
Gehäusestifte wieder ungesetzt. Sie können diesen Defekt zu Ihrem
Vorteil nutzen, wenn sie entweder nur beim Hineinfahren oder
mit dem Öffnungswerkzeug nur beim Herausfahren Druck anwenden.
Andernfalls können Sie mit Ihren Fingern oder Ihrem Spanner verhindern,
daß sich der Schloßkern vorwärts bewegt.
9.7 Der Stift-Durchmesser
Wenn das Stiftpaar in einer bestimmten Säule unterschiedliche Durchmesser hat, wird die Säule seltsam auf den Druck des Öffnungswerkzeuges reagieren.
Die obere Hälfte von Bild 9.3 zeigt eine Stiftsäule mit einem
Gehäusestift, der einen größeren Durchmesser als der Kernstift hat.
Wenn die Stifte gehoben werden, wird der Öffnungsdruck Widerstand von
der Bindungsreibung und der Feder-Kraft bekommen. Sobald der
Gehäusestift die Scherlinie frei macht, rotiert der Schloßkern (bis
einige andere Stifte klemmen) und der einzige Widerstand für eine
Stiftbewegung ist dann die Feder-Kraft. Falls der Kernstift klein genug
ist und der Schloßkern nicht sehr weit rotierte, kann der Kernstift in
das Gehäuse eintreten, ohne mit dem Rand des Gehäuses zusammenzustoßen.
Wenn andere Stifte einklemmen, wird wieder der einzige Widerstand, der
der Bewegung entgegenwirkt, die Feder-Kraft sein. Diese Beziehung wird
in der unteren Hälfte des Bildes dargestellt. Grundsätzlich: wenn das
Stiftgefühl am Anfang normal ist, aber dann das Schloß klickt, werden
die Stifte leicht nachgeben. Der enge Kernstift kann immer in das
Gehäuse gedrückt werden, ohne seine Elastizität zu verlieren; aber wenn
der Öffnungsdruck verringert wird, werden die Kernstifte wieder zurück
in Ihre anfängliche Position fallen, während der große Gehäusestift am
Rand des Schloßkernloches aufgehalten wird.
Bild 9.3: Der Gehäusestift ist breiter als der Kernstift
Das Problem bei einem großen Gehäusestift ist, daß die Kernstifte dazu
neigen, im Gehäuse steckenzubleiben, wenn andere Stifte gesetzt werden.
Stellen Sie sich vor, daß der benachbarte Stift gesetzt wird und der
Schloßkern rotiert genug, den schmalen Kernstift zu binden. Falls das
Öffnungswerkzeug zur gleichen Zeit auf den schmalen Kernstift drückte,
als der benachbarte Stift gesetzt wurde, dann wird der schmale Kernstift
im Gehäuse steckenbleiben, wenn der Schloßkern rotiert.
9.8 Abgeschrägte Löcher und abgerundete Stifte
Einige Schloß-Hersteller (z.B. Yale) schrägen die Ränder der
Schloßkernlöcher ab und/oder runden die Enden der Kernstifte ab. Dies
reduziert die Abnutzung des Schlosses, und es kann uns beim
Schloßöffnen sowohl helfen als auch abhalten. Sie können ein Schloß mit
diesen Merkmalen durch das große Nachgeben der gesetzten Stifte
erkennen (sehen Sie Bild 9.4). Die Entfernung zwischen der Höhe, an der
die Gehäusestifte am Rand des Schloßkernloches gehalten werden und der
Höhe, an dem die Kernstifte in das Gehäuse ragen, ist größer (manchmal
so groß wie ein Sechzehntel Zoll), wenn die Schloßkernlöcher
abgeschrägt sind oder die Stifte abgerundet wurden. Während sich die
Kernstifte zwischen jenen zwei Höhen bewegen, wird nur die Kraft der
Feder Widerstand bieten. Es wird keine Bindungsreibung geben. Dieses
entspricht dem gezeigten Neigungswinkel im Kraft-Diagramm in
Bild 5.5.
Bild 9.4: Abgeschrägte Schloßkernlöcher und abgerundete Kernstifte
Ein Schloß mit abgeschrägten Schloßkernlöchern erfordert zum Öffnen
öfteres Harken als ein Schloß ohne abgeschrägte Löcher, weil die
Gehäusestifte auf der Schrägfläche gesetzt werden müssen statt auf der
Oberkante des Schloßkerns. Der Schloßkern wird nicht drehbar sein, falls
einer der Gehäusestifte an einer Schrägfläche hängt. Der Kernstift muß
wieder geharkt werden, um den Gehäusestift aufwärts von der Schrägfläche
zu stoßen. Der linke Gehäusestift in Bild 9.6a ist gesetzt. Der
Gehäusestift ruht auf der Schrägfläche und die untere Ebene hat sich
genug bewegt und erlaubt dem rechten Gehäusestift zu klemmen. Bild 9.6b
zeigt, was nach dem Setzen des rechten Gehäusestiftes geschieht. Die
untere Ebene gleitet weiter nach rechts und der linke Gehäusestift
klemmt zwischen der Schrägfläche und der oberen Ebene. Er hängt an der
Schrägfläche. Um das Schloß zu öffnen, muß der linke Gehäusestift
hinauf über die Schrägfläche gestoßen werden. Sobald der Gehäusestift
frei ist, kann die untere Ebene gleiten und der rechte Gehäusestift kann
auf seiner Schrägfläche klemmen.
Bild 9.5: (a) Der Gehäusestift sitzt auf der Schrägfläche
Bild 9.6: (a) Der Gehäusestift klemmt in der Schrägfläche
Falls Sie auf ein Schloß mit abgeschrägten Schloßkernlöchern treffen
und alle Stifte scheinen gesetzt zu sein, aber das Schloß öffnet
nicht, sollten Sie das Drehmoment reduzieren und das Harken über die
Stifte fortsetzen. Das reduzierte Drehmoment wird es leichter machen,
die Gehäusestifte aus den Schrägflächen zu stoßen. Falls die Stifte
wieder herausspringen, wenn Sie das Drehmoment verringern, versuchen sie
das Drehmoment und den Druck des Öffnungswerkzeuges zu reduzieren. Das
Problem mit zunehmender Kraft ist, daß Sie einige Kernstifte dabei in
das Gehäuse drücken könnten.
9.9 Pilzkopfstifte
Ein allgemeiner Trick der Hersteller, das Schloßöffnen zu erschweren,
ist das Modifizieren der Form der Gehäusestifte. Die populärsten Formen
sind Pilz-, Spulen- und gezackte Stifte, zu sehen im Bild 9.7. Der Zweck
dieser Formen soll die Stifte zu falschem und zu tiefem Setzen
animieren. Diese Gehäusestifte verhindern eine Öffnungstechnik, die
Vibrationstechnik oder Elektropicken genannt wird (siehe Kapitel 9.12),
aber sie erschweren das Harken und das Nacheinandersetzen der Stifte
nur geringfügig (siehe Kapitel 4).
Bild 9.7: Pilz-, Spulen- und gezackte Gehäusestifte
Falls Sie ein Schloß öffnen und der Schloßkern läßt sich nach einigen Grad nicht mehr drehen und keiner der Stifte läßt sich weiter hochtreiben, dann wissen Sie, daß das Schloß modifizierte Gehäusestifte hat. Grundsätzlich hakt der Kopf des Gehäusestiftes an der Scherlinie. Beachten Sie den unteren Teil von Bild 9.7. Pilz- und Spulenstifte werden in Russwin-Schlössern oft gefunden und in Schlössern, die verschiedene Trennstifte für Generalschlüssel haben.
Sie können die Positionen der Pilzkopfstifte durch das Anwenden eines leichten Drehmomentes und dem Hochtreiben eines jeden Stiftes identifizieren. Die Stifte mit Pilzkopf werden die Tendenz zeigen, den Schloßkern zurück zur völlig verschlossenen Position zu bringen. Durch Hinaufdrücken der Kernstifte stoßen Sie die flache Oberkante der Kernstifte gegen die gekippte Unterkante des Pilzkopfstiftes. Das führt dazu, daß sich der Gehäusestift gerade ausrichtet, was den Schloßkern dann blockieren läßt. Sie können diesen Zustand benutzen, um die Spalten der Pilzkopfstifte zu identifizieren. Drücken Sie diese Stifte bis zur Scherlinie; auch wenn Sie einige der anderen Pilzkopfstifte verlieren, denn es wird leichter sein, die verlorenen Stifte mit dem Öffnungswerkzeug wieder zu setzen. Schließlich werden alle Stifte an der Scherlinie korrekt gesetzt.
Eine Methode, alle Positionen der Pilzkopfstifte zu identifizieren, ist, wenn Sie die flache Seite Ihres Öffnungswerkzeuges benutzen, um alle Stifte halb nach oben zu drücken. Dadurch sollten die meisten der Gehäusestifte in ihre Schließposition gesetzt werden, was man jetzt nachfühlen kann.
Um ein Schloß mit modifizierten Gehäusestiften zu öffnen, benutzt man ein leichteres Drehmoment und einen stärkeren Druck. Man neigt sehr leicht dazu, dabei den Fehler zu machen, den Kernstift zu weit in das Gehäuse zu drücken. In der Tat gibt es einen anderen Weg, diese Schlösser zu öffnen: man benutzt die flache Seite des Öffnungswerkzeuges , um die Stifte den ganzen Weg aufwärts zu drücken und wendet ein sehr starkes Drehmoment an, um die Stifte an diesem Platz zu halten. Machen Sie Harkbewegungen, um die Kernstifte zum Vibrieren zu bringen, während Sie das Drehmoment langsam reduzieren. Das Reduzieren des Drehmomentes verringert die Bindungsreibung der Stifte. Die Vibration und die Federkraft bringen die Kernstifte dazu, bis an die Scherlinie zu gleiten.
Der Schlüssel zum Öffnen von Schlössern mit modifizierten
Gehäusestiften besteht darin, falsch gesetzte Stfte zu erkennen. Ein
Pilzkopfstift, der an seinem Hut hängt, wird nicht wie ein korrekt
gesetzter Stift federnd nachgeben. Üben Sie, um diesen Unterschied
erkennen zu können.
9.10 Generalschlüssel
Viele Vorrichtungen erfordern Schlüssel, die nur ein einzelnes Schloß
öffnen können und andere Schlüssel, die eine Gruppe von Schlösser öffnen.
Die Schlüssel, die ein einziges Schloß öffnen, werden Wechselschlüssel
genannt, die, die mehrere Schlösser öffnen, heißen Generalschlüssel.
Damit der Wechselschlüssel und der Generalschlüssel das gleiche
Schloß öffnen können, fügt ein Schlosser einen Extrastift zu einigen
Stiftsäulen hinzu. Dieser Extrastift wird Trennstift genannt. Siehe dazu
Bild 9.8. Der Effekt eines Trennstifts besteht darin, zwei Lücken in der
Stiftsäule zu schaffen, die an der Scherlinie anliegen können.
Gewöhnlich richtet der Wechselschlüssel die Oberkante der Trennstifte
mit der Scherlinie aus, und der Generalschlüssel richtet die Unterkante
der Trennstifte mit der Scherlinie aus (diese Idee soll die Leute daran
hindern, durch Abfeilen des Wechselschlüssels, einen Generalschlüssel zu
bekommen). In beiden Fällen ist der Schloßkern zum Rotieren frei.
Bild 9.8: Trennstift für Generalschlüssel
Im allgemeinen erleichtern Trennstifte das Schloßöffnen. Sie erhöhen die Anzahl der Möglichkeiten, jeden Stift zu setzen und sie machen es wahrscheinlicher, daß das Schloß durch das Setzen aller Stifte in der gleichen Höhe öffnet. In den meisten Fällen gibt es zwei oder drei Positionen, die Trennstifte haben. Sie können eine Position mit einem Trennstift durch das zweifache Klicken erkennen, das Sie fühlen, wenn die Stifte nach unten gedrückt werden. Falls die Trennstifte einen kleineren Durchmesser als die Gehäuse- und Kernstifte haben, dann werden Sie eine breite federnde Region fühlen, weil der Trennstift nicht binden wird, wenn er die Scherlinie passiert. Trennstifte sind im allgemeinen größer als der Gehäusestift. Sie können diesen durch eine Erhöhung der Reibung erkennen, wenn der Trennstift durch die Scherlinie geht. Da der Trennstift größer als der Gehäusestift ist, wird er besser durch den Schloßkern eingeklemmt. Falls Sie den Trennstift tiefer in das Gehäuse hineindrücken, werden Sie ein starkes Klicken fühlen, wenn die Unterkante des Trennstifts die Scherlinie erreicht.
Dünne Trennstifte können ernste Probleme verursachen. Wenn man ein
schweres Drehmoment anwendet und die Schloßkernlöcher sind abgeschrägt,
kann sich der Trennstift verdrehen und die Scherlinie ausfüllen. Es ist
auch möglich, daß der Trennstift in den Schlüsselkanal fällt, wenn der
Schloßkern um 180 Grad rotiert ist. Sehen Sie dazu Kapitel 9.11 für die
Lösung dieses Problemes.
9.11 Gehäuse- oder Trennstift tritt in den Schlüsselkanal ein
Bild 9.9 zeigt, wie ein Trennstift oder Gehäusestift in den
Schlüsselkanal eintreten kann, wenn der Schloßkern 180 Grad rotiert ist.
Man kann das verhindern, wenn man sein Öffnungswerkzeug mit der
flachen Seite in Richtung der Unterkante des Schlüsselweges plaziert,
bevor man den Schloßkern zu weit dreht. Falls ein Trennstift oder
Gehäusestift in den Schlüsselweg eintritt und Sie am Drehen des
Schloßkernes hindert, benutzen Sie die flache Seite vom Öffnungswerkzeug,
um die Trennstifte zurück in das Gehäuse zu drücken. Man wird den
Spanner benutzen müssen, um viel Scherkraft zu erreichen, die dann die
Trennstifte oder Gehäusestifte einklemmen. Falls das nicht geht,
versucht man über die Gehäusestifte mit der spitzen Seite des
Öffnungswerkzeuges zu harken. Falls ein Trennstift total in den
Schlüsselweg fällt, ist die einzige Möglichkeit, ihn herauszunehmen. Ein
hakenförmiges Stück aus Federstahl ist für diesen Zeck am besten, obwohl
eine gebogene Büroklammer genausogut funktionert,es sei denn, der
Trennstift ist eingekeilt.
Bild 9.9: Der Trenn- oder Gehäusestift kann in den Schlüsselweg eintreten
9.12 Schloßöffnen durch Vibration
Bei dem Öffnen durch Vibration entsteht zwischen dem Gehäusestift und dem Kernstift ein großer Zwischenraum. Das zugrundeliegende Prinzip ist ähnlich dem, das beim Billiardspielen auftritt. Wenn die Queue-Kugel eine andere Kugel direkt trifft, bleibt die Queue-Kugel stehen und die getroffene Kugel prallt mit der gleichen Geschwindigkeit und Richtung von der Queue-Kugel ab. Stellen Sie sich jetzt eine Vorrichtung vor, die die Spitzen aller Kernstifte auf einmal trifft. Die Kernstifte würden ihren Schwung auf die Gehäusestifte übertragen, die dadurch aufwärts in den Schloßrumpf fliegen. Wenn Sie dabei ein leichtes Drehmoment anwenden, wird der Schloßkern rotieren, wenn alle Gehäusestifte über der Scherlinie sind.
Anmerkung der Übersetzer: Dieses Verfahren wird auch "Perkussionsprinzip" genannt. Hierfür werden mechanische oder elektrische "Sperr-Pistolen" eingesetzt..
9.13 Scheibenzuhaltungsschlösser
Die billigen Schlösser, die in Schreibtischen eingebaut sind, haben
Metallscheiben anstelle von Stiften. Abbildung 9.10 zeigt die
Grundarbeitsweise dieser Schlösser. Die Scheiben haben den gleichen
Umriß, aber unterscheiden sich in der Plazierung der rechteckigen
Aussparung. Diese Schlösser lassen sich mit dem richtigen Werkzeug
leicht öffnen. Weil die Scheiben eng zusammenstehen, lassen sie sich mit
einem halbrunden Öffnungswerkzeug besser öffnen als mit dem
Halbdiamanten (Abb. im Anhang A).
Sie könnten auch einen Spanner mit schmalerem
Kopf brauchen. Benutzen Sie ihn angemessen dem schwerem Drehmoment.
Bild 9.10: Arbeitsweise eines Scheibenzuhaltungsschlosses